Ist das nicht herrlich, den ganzen Tag Zeit zu haben und sich nur um das Kind zu kümmern? Wenn es spielt oder schläft, kann man nebenher ganz wunderbar arbeiten, eine neue Sprache oder ein Instrument lernen… warum nicht gleich zwei? Nun ja, die meisten von uns wissen, dass es in der Praxis etwas anders aussieht. Aber warum eigentlich? Manchmal wird man gefragt: „Was machst du eigentlich den ganzen Tag?“ Ich würde sagen, es ist irgendetwas zwischen alles und nichts.
Doch wieviel Mühe und Zeit für und mit Kindern ist angebracht? Haben wir deshalb schon mit einem Kind oft Stress, weil wir einfach alle Helikoptereltern sind, während früher oft mehr als vier Kinder scheinbar „so nebenher“ gingen? Ist es Sinn der Sache, Kinder zu bekommen, um sie dann nach einem Jahr in die Kita abzugeben? Und wie selbstverständlich ist es eigentlich, dass die Mutter sich kümmert, “nur” weil sie das Kind zur Welt bringt? Welche alternativen Modelle gibt es? In Gesprächen mit jungen Familien habe ich festgestellt, dass jede ihre ganz eigenen Antworten auf diese Fragen hat. Viele fahren mit dem „klassischen“ Modell sehr gut, andere haben ganz andere Lösungen…
Gibt es das perfekte Familienmodell?
In den ersten Monaten habe ich die meisten Tage allein mit dem kleinen Löwen verbracht, so wie viele meiner Freundinnen mit Kindern im gleichen Alter. Es kann sehr schön sein, den ganzen Tag mit seinem Sprössling zu verbringen, Kaffee trinken und spazieren zu gehen. Manchmal kann der Tag aber auch lang werden. Die Mütter überlegen also, wie sie die Zeit bis zum Abend bestmöglich ausfüllen und sind doch total erschöpft, die Väter versuchen, halbwegs frühzeitig aus dem Büro zu kommen und sind doch meist zu spät.
Die Männer bekommen Arbeit und Familie kaum unter einen Hut, die Frauen sollen die Erziehungsaufgabe übernehmen und möchten dabei ihre Karriere genauso wenig aufgeben. Die Omis und Opis sind womöglich in einer anderen Stadt oder irgendwo auf dem Land, viele Freunde haben wenig Verständnis oder einfach keine Zeit. Klar, wer kann schon tagsüber einfach frei machen? Leider geht uns Stadtkindern mehr und mehr der Sinn für die Gemeinschaft verloren, sodass wir oft ein wenig „allein“ dastehen.
Was braucht die Familie wirklich? Einander!
Ich bin in einer Patchworkfamilie aufgewachsen. Das klassische Modell kann eben nicht immer klappen – und das muss es auch nicht. Denn heute sehe ich meine Halb-, Stiefgeschwister und alle, die da noch so dazugehören, als Geschenk. Nun haben wir selbst einen kleinen Schatz. Er bereichert unser Leben Tag für Tag – und hat es gleichzeitig ganz schön auf den Kopf gestellt. Der Versuch, mit der gewohnten 80-Stunden-Wochen weiter zu machen scheiterte – und zwar massiv. Es änderte sich alles. Es war eine intensive Probe und gewiss keine leichte Zeit für uns drei…
„Alles schön und gut aber das wäre bei meinem oder dem Beruf meines Partners oder meiner Partnerin nicht möglich“…? Es war definitiv kein leichter Schritt sich gegen einen erfolgreichen Job mit Verantwortung für ein ganzes Unternehmen und viele Mitarbeiter zu entscheiden und für die Familie und die Gesundheit. Aber im Endeffekt hat so gut wie jeder die Wahl. Oder? 🙂
… Doch was wir vor einem Jahr nicht für möglich gehalten hätten, haben wir mittlerweile nach einigen Höhen und Tiefen geschafft: Wir arbeiten beide und wir kümmern uns beide. Es erfordert berufliche Flexibilität, Disziplin und gute Planung. Da wir beide selbständig sind, bestimmen wir Ort und Zeit unserer Arbeit weitestgehend selbst. Dabei arbeiten wir nicht unbedingt weniger als andere, nur zwangsweise etwas „dynamischer“. Außerdem haben wir unserem Leben in der Stadt für den Moment den Rücken gekehrt und verbringen nun wertvolle Zeit in der Nähe unserer Familien.
Erst die Balance aus Selbst- und Fremdbestimmung, mit einem deutlichen Ausschlag zu ersterem, lässt unser Leben gelingen.
Helmut Glaßl
Natürlich lieben wir die Freiheit, viel unterwegs zu sein. Gleichzeitig haben wir festgestellt, dass auch die Gemeinschaft uns in gewisser Weise Freiheit gibt. Und dann ist da noch die Frage, wie wichtig die räumliche Heimat ist. Im Moment halten wir es wie Edward Sharpe and the Magnetic Zeros: „Home is wherever I’m with you“ und glauben, dass es auch für unseren kleinen Abenteurer wichtiger ist, Zeit mit uns zu verbringen als ein schickes Kinderzimmer im Vorstadtreihenhaus zu haben. Bald werden wir weiterziehen und sehen, was im Endeffekt die größere Freiheit bedeutet…
Unser ideales Familienmodell? Es ist anstrengend, aber schön – und manchmal ist es auch das reinste Chaos! Es ist nicht besser oder schlechter als andere – es ist unseres.
Wie sieht Euer (ideales) Familienmodell aus?
Pingback: Blogparade: Auf der Suche nach dem idealen Familienmodell – littlelion
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