Es ist vollbracht: Vor zwei Wochen sind wir aus unserer wunderschönen Altbauwohnung ausgezogen und all unser Hab und Gut auf 150 qm befindet sich nun in einem einzigen Frachtcontainer – auf 15 qm. Noch vor einigen Monaten hätte ich das nicht für möglich gehalten. Doch je mehr wir vor unserem Auszug aussortiert haben, desto mehr empfand ich das, was noch da war, als Ballast. Ich lebe eigentlich schon immer nach dem Minimalprinzip, aber Minimalismus, das ist nochmals eine andere Geschichte – mit der ich mich in den letzten Wochen etwas beschäftigt habe…
Laut Statistischem Bundesamt besitzt der Durchschnittseuropäer 10.000 Dinge. Im Vergleich, vor knapp 100 Jahren waren es gerade einmal 180. Natürlich, die Zeiten haben sich geändert, ebenso der allgemeine Lebensstandard und trotzdem stellt sich die Frage: Brauchen wir das wirklich alles? Bei der Antwortsuche kam mir die Aussage meines Schwagers Thommi in den Sinn, der einmal sagte, man solle sich bei Geschenken immer auf eine Sache beschränken, weil ansonsten das eine das andere entwerte. Das leuchtet ein und gilt im Grunde genauso für unsere Besitztümer: Je mehr wir haben, desto weniger Bedeutung kommt tendenziell dem einzelnen Gegenstand zu.
Wieviel müssen wir haben, um zu sein?
Natürlich handelt es sich hier wohlgemerkt um ein ausgeprägtes Luxusproblem, aber es ist etwas mehr als das. Laut Statistik konsumieren wir in der westlichen Welt 55 kg an unterschiedlichsten Dingen – jeden Tag! Von Kleidung über Essen bis hin zu Benzin. Gleichzeitig werden Rohstoffe knapp, häufen sich die Müllberge und werden viele Dingen unter menschenunwürdigen Bedingungen produziert. Immerhin, das Bewusstsein hierfür steigt und führt zumindest in kleinen Schritten zu mehr Nachhaltigkeit und bewusstem Konsum. Warum hören wir trotzdem nicht auf, Dinge zu kaufen?
Der Philosoph Jean-Paul Sartre sagt: „Je suis ce que j’ai“ – ich bin, was ich habe (mein französisch wird von Tag zu Tag besser – ich bin vorbereitet 😉 ). Aber macht uns glücklich, was wir haben? Und woher kommt das ganze Zeug? Viele Dinge sind zumindest in unserem Fall ein klassischer Fall von Kompensation. Man arbeitet viel, verdient entsprechend und belohnt sich dafür… mit Handtaschen (die Farbe habe ich noch nicht… ok, die Farbe schon aber die Größe nicht), Schuhen, Kosmetik, teurem Wein, elektrischen Skateboards, iMac, iPad, iPod, iWatch… Von vielem haben wir uns nun verabschiedet und – immerhin – andere damit glücklich gemacht, vielleicht.
Auch verabschiedet haben wir uns von vollen Terminkalendern und damit verbundenen zahllosen Autofahrten von einem Meeting zum nächsten, von kistenweise Kleidung und von sehr sehr vielen Büchern, schmerzhaft aber für einen guten Zweck. Eine hilfreiche Methode war für mich, immer zwei Dinge gegenüberzustellen und eins davon auszusortieren. Müssen unbedingt beide bleiben, müssen zwei andere weg. Genauso zwei alte Kleidungsstücke für jedes neue… usw.
Hier habe ich dazu sieben hilfreiche Tipps gefunden, die ich einmal frei zusammenfassen möchte:
- Alles muss raus! Zunächst jeden einzelnen Schrank ausräumen, um ein Gefühl für die Menge zu bekommen, dann erst ausmisten.
- Pack es an! Alle Dinge in die Hand nehmen, um ein besseres Gespür für deren Wert zu erlangen. Weg oder nicht? Ihr habt es in der Hand.
- Keep your darlings! Sich die Lieblingsdinge bewusst auszusuchen und zu behalten ist einfacher als zu überlegen, was unbedingt weg muss.
- Deadline! Alles, was ein Jahr lang nicht gebraucht oder benutzt wurde, kann weg. Hart aber effektiv.
- 20-20!? Alles was in 20 Minuten oder mit weniger als 20 Euro ersetzt werden kann, darf gehen. (Meines Erachtens eine interessante Idee, widerstrebt mir aber, da der Wert der Dinge nicht von ihrem Preis abhängen sollte und sie ggf. zu ersetzen nicht besonders nachhaltig ist)
- 80-20! Wir benutzen wohl 20 % unserer Dinge in 80 % unserer Zeit. Anhand dieser Rechnung kann schnell erkannt werden, was wirklich essenziell ist und was nicht.
- Step-by-Step: Schrank für Schrank, Schublade für Schublade.. eins nach dem anderen. Dafür sollte genügend Zeit sein, denn niemand hat gesagt, dass es einfach wird.
Noch passen all meine Sachen noch längst nicht in einen Koffer und doch werden wir wohl auch das restliche Jahr aus dem Koffer leben –und trotzdem alles haben was wir brauchen: einander! 😉